Die
europäische Weinmarktreform aus dem Jahr 2009 beginnt in den einzelnen
Mitgliedstaaten zu greifen, Übergangsfristen laufen in Kürze aus und
die Regelungen werden in das deutsche Weinrecht integriert. Der neue
Entscheidungsspielraum in Sachen Bezeichnungsrecht und die zugleich
verstärkte Orientierung an dem in südlichen Weinbauregionen seit
Jahrzehnten eingeführten romanischen Bezeichnungssystem haben den
Verantwortlichen der deutschen Weinbaupolitik bis in die jüngsten Tage
Kopfzerbrechen bereitet. Auch die IHK Trier hat auf Bundesebene
intensiv mitdiskutiert und zuletzt richtungsweisenden Kompromissen
zugestimmt. So langsam kommt Struktur und Klarheit in die Gesetzgebung,
aber es mangelt auch nicht an Wünschen innerhalb der Branche, darüber
hinaus neue Wege zu beschreiten und für den deutschen Wein ein leicht
verständliches Herkunftsprinzip einzuführen.
Fakt ist, dass es in Zukunft nur noch zwei Kategorien von Wein geben
wird – nämlich Weine mit und ohne Herkunftsangabe. Die Weine mit
Herkunft werden in zwei Gruppen unterteilt. Die dazu neu eingeführten
Begriffe „geschützte Ursprungsbezeichnung“ für Qualitäts- und
Prädikatsweine oder „geschützte geographische Angabe“ für Landweine
sind in der Etikettierung ab 1. Januar 2012 fakultativ zulässig. Die
Kategorie der Tafelweine entfällt, dafür können aber „Europäischer
Gemeinschaftswein“ und „Deutscher Wein“ (in der Kategorie ohne
Herkunft) oder „Landweine“ (in der Kategorie „geschützte geographische
Angabe“) an Bedeutung gewinnen.
Aus Angst an zu viel einfachem „Deutschen Wein“ mit einer
Rebsortenangabe im Wettstreit zu Qualitätsweinen aus den bestehenden
Anbaugebieten wie Mosel, Rheinhessen oder Pfalz haben sich die
verantwortlichen Erzeugervertreter darauf verständigt, eine
einschränkende Rebsortenliste festzulegen, die die Verwendung von
Riesling, Silvaner, Müller-Thurgau, Dornfelder und Co. bei der
Kategorie „Deutscher Wein“ verbietet. Diese Rebsortenweine müssen also
künftig zumindest der Landweinkategorie zugeordnet werden. Eine
einschränkende Vorgabe, dem die Weinkellereien ungern zugestimmt haben,
sehen doch die international agierenden Unternehmen, wie flexibel und
marktgerecht ihre ausländischen Wettbewerber künftig beispielsweise mit
einem Vin de France Sauvignon Blanc, einem Vino de España Tempranillo
oder einem Vino d’Italia Merlot auf Kundenwünsche reagieren können.
Wichtig zu wissen ist auch, dass in der Zusatzkennzeichnung bei
deutschen Weinen traditionelle Begriffe wie Qualitäts- oder
Prädikatswein in ihrer Festschreibung als obligatorische Angaben
gefestigt werden und weiterhin in der Etikettierung verpflichtend
angegeben werden müssen. Neu hinzukommen wird, dass eine Gruppe von
Erzeugern für neue geographische Angaben als „geschützte
Ursprungsbezeichnung“ oder „geschützte geographische Angabe“ einen
besonderen Schutzstatus beantragen darf. Dies kann für bereits
bestehende geographische Angaben erfolgen, beispielsweise für eine
Einzellage wie Trittenheimer Apotheke oder auch für alte
Gemarkungsnamen. Dabei müssen zumindest die qualitativen
Mindeststandards gelten, die für das jeweilige Anbaugebiet festgelegt
sind.
Soviel zu dem Grundsätzlichen, was sich sicherlich kompliziert liest,
aber in der Praxis für die Weingüter, Genossenschaften und Kellereien
keine spürbaren Auswirkungen haben muss.
„Wir begrüßen es, dass das vorhandene Bezeichnungssystem erhalten
bleibt und die neuen Begriffe integriert werden, so dass kein
Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Weinbezeichnungssystemen
entsteht“, bewertet Werner Kirchhoff, Vorstandsvorsitzender der
Moselland eG, Bernkastel-Kues, das Ergebnis der Beratungen, an dem er
maßgeblich mitgewirkt hat. Auch dass die neuen Begriffe „geschützte
Ursprungsbezeichnung“ und „geschützte geographische Angabe“ künftig
fakultativ auf das Etikett können, sieht er gelassen: „Nur wenige
Genossenschaften werden von den neuen Angaben Gebrauch machen und
zunächst die bekannten Begriffe Qualitäts- und Prädikatswein nutzen.“
An der Mosel hat eine Gruppe von 160 qualitätsorientierten Winzern ein Thesenpapier erarbeitet, mit dem das derzeitige Weinrechtssystem neu geregelt werden soll. „Unser aktuelles Bezeichnungsrecht schafft weder Orientierung, Werte noch Profil. Eine lange Liste zugelassener Rebsorten ist mit jeder Qualitätsstufe, jedem Prädikat, jeder Geschmacksrichtung, jeder Herkunftsdifferenzierung und dem höchsten Hektarertrag weitgehend frei kombinierbar“, kritisieren die Verfasser, an der Spitze Gernod Kollmann vom Weingut Immich-Batterieberg in Enkirch. Vorgeschlagen wird eine einfache Hierarchie und Differenzierung nach klar definierten engeren geographischen Einheiten in Form einer aufsteigenden Pyramide nach dem Prinzip „Gebiet-Ort-Lage“. Die Basis bilden dabei Weine mit der Angabe „Mosel“, darüber rangieren fünf Bereichsweine (Saar, Ruwer, Obermosel, Mittelmosel, Terrassenmosel), hierauf folgen die Ortsweine und die Spitze bilden die Einzellagen. Für Ortsweine (zum Beispiel „Piesporter“) und Lagenweine (zum Beispiel Piesporter Goldtröpfchen“) werden höhere Anforderungen vorgesehen. Für den Ortswein gilt dem Vorschlag zufolge ein Hektarertrag von maximal 100 hl/ha, ein Mindestmostgewicht von 65 Oechsle, eine eingeschränkte Classic-Rebsortenliste und eine Mindestqualitätszahl von 2,5 Punkten. Anspruchsvoller wird es beim Lagenwein - ausschließlich Riesling -, der einen Hektarertrag von höchstens 80 hl/ha, ein Mindestmostgewicht von 75 Oechsle und eine Qualitätszahl von 3,0 Punkten einhalten soll.
Saarwinzer Roman Niewodniczanski unterstützt diese Forderungen, ist er doch seit Jahren ein Kritiker des „Bezeichnungswirrwarrs“, der die „massive Benachteiligung naturräumlich priviligierter Herkünfte“ wie die der Schiefersteillagen an Mosel, Saar und Ruwer anprangert. Seit er das Weingut van Volxem vor gut zehn Jahren übernommen hat, lebt er auf 44 Hektar Schiefersteillagen seine eigene Herkunftsphilosophie und erzeugt zirka 300 000 Flaschen, die streng nach Herkunft, Geschmackprofil und Wertigkeit in eine klare Qualitätshierarchie eingeordnet sind. „Damit orientieren wir uns konsequent an traditionellen Weinbezeichnungen von vor 1971, bei denen Herkunft und Lage im Zentrum der Qualitätsaussagen standen“, erläutert Niewodniczanski sein nachvollziehbares System. Wie viele seiner Kollegen erhofft er sich von der Reform des Bezeichnungsrechts eine historische Chance, traditionelle Herkünfte zu reprofilieren und damit dem Moselwein wieder zu seinem verlorenen Renommee zurück zu verhelfen.
In etlichen Sitzungen hat Dr. Dirk Richter, Vorsitzender des IHK-Weinausschusses, die Meinungen seiner Kollegen aus Rheinland-Pfalz und Hessen abgefragt und Kriterien zur Stärkung der Einzellagen als dem Spitzensegment der Qualitätspyramide entwickelt und publiziert. „Dazu zählen eine stark eingeschränkte Rebsortenliste - im Anbaugebiet Mosel ist das naturgegeben der Riesling -, ein eingeschränkter Hektarertrag sowie höhere Anforderungen an die Reife des Lesegutes“, konkretisiert Richter die Vorstellungen im IHK-Fachgremium. „Damit folgen wir dem Gedanken der EU-Weinmarktordnung, höhere Anforderungen an den Wein mit der Wahl einer höherwertigen Bezeichnung zu verknüpfen.“
Man neigt zu glauben, dass dies alles in die gleiche Richtung zielt, und zumindest was die Definition der Spitze einer Herkunftspyramide betrifft, schnell Konsens zu erzielen ist. Denn auch das rheinland-pfälzische Weinbauministerium hat in einem Papier zur „Konsequenten Positionierung der Qualitätsweine“ bereits vor einem Jahr festgestellt, dass „die Profilierung der Orts- und Lagenweine am besten geeignet erscheint, dem deutschen Qualitätswein zu neuem Ansehen zu verhelfen. Eine dreigliedrige Weinbezeichnungshierarchie (Lage, Ort, Gebiet) wird angestrebt“. Doch in diesem Papier wird wie in den Stellungnahmen des Weingewerbes ein wesentliches Problemfeld thematisiert: Die Handhabung der Großlagen.
Diese Meinung teilt auch Johannes Hübinger, Geschäftsführender Gesellschafter der Weinkellerei Zimmermann-Graeff & Müller in Zell, der zugleich in seiner neuen Rolle als Vorsitzender des Bundesverbandes der Deutschen Weinkellereien und des Weinfachhandels e. V., Trier, Position bezieht: „Die bisherigen Großlagen müssen einen Regional- oder Ortsbezug behalten, damit weiter im deutschen Lebensmittelhandel und im Export Weine mit regionaler Herkunft vermarktet werden“. Deshalb sollte nach seiner Auffassung der „Piesporter Michelsberg“ in „Piesporter“ umbenannt werden. Sicher gebe es Bedenken, dass dann der Ortswein aus Piesport stammen könne, aber mit dieser Regelung würden eindeutig die Einzellagen wie Piesporter Goldtröpfchen oder Piesporter Treppchen gestärkt. Von der Benamung mit der Lagenbezeichnung ohne den Ortsnamen hält Hübinger nichts, denn dann würde im benannten Beispiel nur „Michelsberg“ stehen und keiner würde mehr auf die Herkunft „Piesport“ zurückgreifen können.
An der Mosel gibt es 19 Großlagen, die in der Großvermarktung immer noch ihre Bedeutung haben. Piesporter Michelsberg, Bereich Bernkastel, Zeller Schwarze Katz und Thörnischer St. Michael rangieren unter den 20 mengenmäßig wichtigsten Herkunftsangaben in Rheinland-Pfalz auf den Plätzen eins, zwei sieben und zwölf und schafften es im vergangenen Jahr in der Summe immerhin auf deutlich über 10 Millionen Liter Wein. Doch die Tendenz ist deutlich rückläufig. In vielen Märkten im In- und Ausland sind die Großlagenbezeichnungen in den letzten zehn bis 20 Jahren von Rebsortenweinen mit Gebietsangabe und von Firmenweinnamen ersetzt worden. Betrug der Anteil der Weine, die unter Großlagen vermarktet wurden, Mitte der Neunziger noch über 40 Prozent, so ist der Anteil Rheinland-Pfalz-weit auf rund 70 Millionen Liter und damit auf unter 15 Prozent der gesamten Qualitätsweinherstellung gesunken. Dennoch bleibt bei den Verantwortlichen der Kellereien und Winzergenossenschaften ein ungutes Gefühl, wenn hier bestehendes Vermarktungspotential abgeschnitten werden soll, ohne adäquaten Ersatz zu schaffen. Werner Kirchhoff zeigt sich als Sprecher der Genossenschaftsgruppe wenig kompromissbereit: „Wir werden für den Erhalt der Großlagen kämpfen.“
Der aktuelle Beratungsstand zeigt sich deutlich, dass sich die Wünsche derer, die eine Neuordnung des Bezeichnungsrechts anstreben, nicht von heute auf morgen durchsetzen lassen. Vor allem dann nicht, wenn die Anpassungen in zu ambitionierten Schritten erfolgen sollen und die bestehenden Vermarktungsstrukturen der unterschiedlichen Betriebe vor Ort unberücksichtigt bleiben. Die neue Differenzierung muss nicht nur vom Verbraucher sondern auch vom Erzeuger verstanden und akzeptiert werden. Hier haben die Verantwortlichen in den Branchenverbänden nun die wichtige Aufgabe, den begonnenen Diskussionsprozess konsensorientiert aufzunehmen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Die Weinkulturlandschaft Mosel mit ihren Steillagen verdient es jedenfalls, dass sich die Akteure ernsthaft mit der Thematik auseinander setzen und die Chance einer Weiterentwicklung nutzen.
„Wir begrüßen es, dass das vorhandene Bezeichnungssystem erhalten bleibt und in ein integrales Bezeichnungsrecht aufgenommen wird, so dass kein Nebeneinander von zwei unterschiedlichen Weinbezeichnungssystemen entsteht.“
Werner Kirchhoff,
Vorstandsvorsitzender der Moselland eG, Bernkastel-Kues
„Die im 1971er Weingesetz manifestierte-, rebsorten- und qualitätsunabhängige Oechsleklassifizierung hat zu einem von den Kunden nicht verstandenen Bezeichnungswirrwarr geführt.“
Roman Niewodniczanski,
Weingut van Volxem, Wiltingen
„Dem Gedanken der ‚geschützten Ursprungsbezeichung’ der neuen EU-Weinmarktordnung folgend sollten die Anforderungen an den Wein mit der Wahl einer höherwertigen Bezeichnung steigen.“
Dr. Dirk Richter,
Inhaber der Weinhandlung Dr. Richter & Sohn OHG, Mülheim
„Wichtig ist, dass die bisherigen Großlagen einen Regional- oder Ortsbezug behalten, damit weiter im deutschen Lebensmittelhandel und
im Export Weine mit regionaler Herkunft vermarktet werden.“
Johannes Hübinger,
Geschäftsführender Gesellschafter der
Zimmermann Graeff & Müller GmbH & Co.
Weinkellerei, Zell