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01.03.2020

Die drei Weingenießer und das Geheimnis der Pyramide


Dieser Text ist vom 01.03.2020 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Diskussion um neues deutsches Weingesetz wirft viele Fragen zum Bezeichnungsrecht auf

Vermutlich größte Stärke des Genussmittels Weins ist seine enorme Vielfalt an Geschmacksvarianten. Zugleich ist es bei der Vermarktung mitunter eine Schwäche. Denn ohne Fachberatung bleibt dem Konsumenten am Supermarktregal nur das Flaschenetikett zur Orientierung. Was das Bezeichnungsrecht hierfür vorschreibt, ist also von höchster Bedeutung. Entsprechend intensiv wird das Thema mit Blick auf die geplante Novelle des deutschen Weingesetzes diskutiert.

Rot oder Weiß? Manchen reicht diese Entscheidung schon aus, um den passenden Wein auszuwählen. Daneben spielen für sie vielleicht noch der Preis und ein griffiger Name eine Rolle. Viele Produzenten, Händler und nicht zuletzt auch Käufer mit differenzierten Geschmackswünschen haben hingegen Interesse daran, dass verlässliche und gut verständliche Informationen auf dem Etikett über Herkunft und Qualität aufklären. Das Wirrwarr beschreibender Kürzel und Namen, die für Regionen, Gemeinden oder Anbau-Lagen stehen, ist jedoch nicht eben einfach zu durchschauen. Somit eint die in den Handel mit Wein Eingebundenen der Wunsch nach einem effektiven Bezeichnungssystem.
Doch bekanntermaßen liegt der Teufel im Detail und so gibt es eine Fülle widerstrebender Interessen. Innerhalb der Branchenverbände sowie mit Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) herrscht deshalb im Vorfeld des geplanten Gesetzentwurfs reger Austausch. Auch der IHK-Weinausschuss beteiligt sich an der Diskussion. „Es muss sichergestellt werden, dass uns bei der Vermarktung nicht laufend Steine in den Weg gelegt werden“, meint Dr. Dirk Richter, Geschäftsführer des Weinguts Max Ferd. Richter in Mülheim an der Mosel und Vorsitzender des IHK-Weinausschusses. Das Problem: Die bisher gültigen Bezeichnungen im deutschen Weinrecht weichen von dem im übrigen Europa verbreiteten Prinzip der Herkunftsauslobung ab, liegen teils mit dem EU-Recht über Kreuz und werden von Kunden – insbesondere internationalen – kaum verstanden. Ein Pyramiden-Modell mit immer genauer abgegrenzten Stufen der Herkunftsnennung und einem damit verbundenen Qualitätsversprechen soll künftig Abhilfe schaffen. Doch wie sind die einzelnen Stufen zu gestalten? Hier gehen die Meinungen auseinander.

Bundesministerium setzt auf 6-Stufen-Modell

Die Überlegungen des Bundesministeriums gehen in Richtung eines Modells mit insgesamt sechs Stufen. Ein erster umfassender Referenten-Entwurf für das geplante Gesetz ist für diesen Monat geplant. Nach den ersten Vorüberlegungen sollen „Deutscher Wein“ (Stufe 1) mit den wenigsten Einschränkungen versehen werden. Die zweite soll den EU-Vorgaben einer „geschützten geografischen Angabe“ (g.g.A.) entsprechen. Das wären die bisherigen Landweine (zum Beispiel Landwein Mosel). Auf der dritten Stufe sind Weine mit „geschützter Ursprungsbezeichnung“ (g.U.) vertreten, benannt werden sollen sie mit Regionen-Angaben wie „Mosel“ oder „Pfalz“. „Möglich ist hier auch, dass sich neben klassischen g.U.s neue, übergreifende Anbaugebiete bilden“, ergänzt Dr. Michael Koehler, Leiter des Referats „Wein, Bier, Getränkewirtschaft“ im BMEL. Denkbar wäre demnach also auch eine g.U. „Rhein“, wie sie viele international agierende Händler begrüßen würden. Aus den Reihen von Erzeugern und auf regionale Vermarktung ausgerichteten Akteuren regt sich hiergegen jedoch Widerstand.
Die von Koehler präsentierten Überlegungen sehen auf der vierten Ebene ebenfalls g.U.-Weine mit Bezeichnungen wie „Mosel“ vor. Den Unterschied macht der Zusatz DGC. Das steht für „Districtus Germaniae Controllatus“ und bedeutet frei übersetzt: Kontrolliertes deutsches Gebiet. DGC soll signalisieren, dass hier eine g.U. mit verpflichtend festgelegten Qualitätskriterien vorliegt. Verschiedene Wege solcher Profilierung sind für das BMEL vorstellbar, von der Einschränkung der Rebsorten über Vermarktungstermine bis hin zum Hektarertrag – die regionalen Schutzgemeinschaften könnten zusätzliche Kriterien für solche Gutsweine festlegen.

Wie erkläre ich‘s dem Konsumenten?

Der IHK-Weinausschuss lehnt ein solches Nebeneinander von profilierten und nicht profilierten g.U.s allerdings ab. „Den Unterschied zwischen zwei Mosel-g.U.s können wir den Verbrauchern nicht mehr erklären“, meint Ausschussmitglied Henning Seibert. Er ist Vorstandsvorsitzender der Winzergenossenschaft Moselland eG mit Sitz in Bernkastel-Kues und sieht das vorgeschlagene System kritisch. Zumal mit der g.U. ohnehin bereits eine Kennzeichnung eingeführt werde, die zwar EU-weit einheitlich für Lebensmittel verwendet werde, jedoch beim deutschen Konsumenten für Wein bislang wenig bekannt sei. Statt mit doppeldeutigen Stufen und Kriterienkatalogen zu verwirren, schlägt er vor, auf dem Konsumenten bekannte Aspekte zu setzen. Ein Weinetikett müsse selbsterklärend sein. Beispielsweise erscheine es möglich, grenzübergreifend, eine neue g.U. für die Mosel gemeinsam mit Luxemburg zu schaffen. Ähnliche Rebsorten und Bodenbedingungen bringen in der gesamten Region ähnliche Weine hervor. Seibert ist überzeugt: „Dass ein Moselriesling auch vom anderen Flussufer stammen kann, so etwas ist den Kunden vermittelbar.“
Die Debatte dreht sich insbesondere um das mittlere Qualitätssegment, denn es macht die Masse der verkauften deutschen Weine aus. Die unteren Stufen „Deutscher Wein“ und „Landwein“ spielen derzeit im Markt ebenso wie die Spitzen-Qualitäten mengenmäßig nur eine untergeordnete Rolle. Weniger umstritten sind daher auch die beiden höchsten Pyramidenstufen, die vom Bundesministerium ebenfalls mit dem Zusatz DGC beziehungsweise DGCS (das „S“ steht für Situs und bedeutet Lage) eingeordnet werden. Hier werden Ortslagen und Einzellagen abgebildet. Doch auch das mittlere Segment könne von einem DGC-Siegel profitieren, ist Koehler überzeugt. „Man müsste beim Verbraucher nur einmal DGC als Label etablieren. Danach hätte er dann einen verlässlichen Wegweiser für das Versprechen höherer Qualitäten“, argumentiert der Referent im BMEL. Darüber hinaus wäre die Kennzeichnung auch für internationale Kunden verständlich, da sie große Ähnlichkeit mit etablierten Labels wie dem italienischen DOC habe. Viele Vertreter der Weinwirtschaft teilen diese Einschätzung allerdings nicht und so fällt auch das Votum im IHK-Weinausschuss negativ aus.

Wo Alkohol zum Knackpunkt wird
Nicht nur der Zuschnitt der Stufen, sondern auch deren Festlegungen im Detail beschäftigen die Branche. Hier rücken dann auch Deutscher Wein und Landwein wieder in den Fokus. Viele in der gewerblichen Weinwirtschaft möchten diese Segmente besser nutzbar machen und wünschen sich eine Lockerung der bisherigen engen Grenzen. Nach geltender Gesetzeslage ist der Deutsche Wein über eine Rebsorten-Liste und einen gedeckelten Alkoholgehalt (maximal 11,5 Volumenprozent für Weiß- und 12,0 Volumenprozent für Rotweine) stark eingeschränkt. Da zahlreiche lokale Erzeuger bei ihrer Vermarktungsstrategie auf regionaltypische Rebsorten setzen, ist eine völlige Freigabe der Sortenliste für Deutschen Wein derzeit unwahrscheinlich. Beim Alkoholgehalt scheint es hingegen noch Spielraum zu geben, wenngleich hier EU-Vorgaben zu berücksichtigen sind.
Der Landwein hat eine ähnliche Problemlage. Neben der Alkoholfrage spielt hier noch der Name selbst eine Rolle. In manchen Regionen ist der Begriff traditionell etabliert, beispielsweise als „Pfälzer Landwein“, andernorts hat er ein eher negatives Image. Die Position des Weinausschusses ist daher, die Bezeichnung „Landwein“ auf dem Etikett künftig als optional einzustufen und die Weinkategorie für größere Vermarktungsstrukturen im Handel attraktiver zu machen. Einig sind sich Ausschuss und Bundesministerium, künftig sechs Volumenprozent als natürlichen Mindestalkoholgehalt festzusetzen und gemeinsam alles dafür zu tun, die Entscheider in Brüssel davon zu überzeugen, einen höheren marktgerechteren Gesamtalkoholgehalt für diese Weine zuzulassen.

Vorsicht Verwechslungsgefahr!
Ein weiteres Diskussionsfeld betrifft das Segment der Lagen-Angaben. Normalerweise sind diese über ihren Namen einfach zu identifizieren, häufig sind Gemeindenamen Teil der Bezeichnung. Doch neben den Einzellagen existieren noch Großlagen, die ähnliche Namenskomponenten enthalten. Prominentes Beispiel an der Mosel ist der Weinbau rund um Piesport. Der Gemeindenamen ist nicht nur in Einzellagen wie dem „Piesporter Goldtröpfchen“ enthalten, sondern wird auch in der Großlage „Piesporter Michelsberg“ verwendet. Zusätzlich kompliziert wird die Situation dadurch, dass diese „Piesporter“ Großlage auch Anbauflächen aus Nachbargemeinden wie Trittenheim enthält. Hier sehen vor allem Winzer der VDP-Weingüter eine massive Verwechslungsgefahr für Verbraucher. Sie fordern daher eine Abschaffung der Großlagen.
Auf der anderen Seite haben vor allem Genossenschaften Interesse, am Markt etablierte Namen weiterhin verwenden zu können. Neben „Piesporter Michelsberg“ betrifft dies in Rheinland-Pfalz vor allem „Oppenheimer Krötenbrunnen“ und „Niersteiner Gutes Domtal“. Allgemein sind Großlagen beim Marktanteil im Supermarktregal zwar rückläufig – zumindest in Rheinland-Pfalz. Gänzlich anders stellt sich die Situation allerdings für Württemberg dar: Hier sind Großlagen ein zentrales Marktelement. Entsprechend groß ist insbesondere von dort aus der Widerstand gegen Pläne zu Abschaffung oder Negativ-Kennzeichnung. Einen Kompromissvorschlag hat der IHK-Weinausschuss ins Gespräch gebracht. Demnach dürften die Großlagen ihren Namen weiterhin vorne auf dem Schauetikett tragen. Auf dem rückwärtigen Teil mit den Pflichtangaben müsste aber eine zusätzliche Kennzeichnung als „Regionalwein“ erfolgen.

Kosten und Nutzen gegeneinander aufrechnen
Neben dem BMEL-Vorschlag sind derzeit eine ganze Reihe weiterer Pyramiden-Modelle in der Diskussion, die von Landesregierungen, Weinbau- und Kellereiverbänden entwickelt wurden. Nahezu alle denkbaren Qualitätskriterien tauchen so an der ein oder anderen Stelle auf. Doch es stellt sich nicht nur die Frage, welche Kriterien sinnvoll erscheinen, sondern auch, welches Kosten-Nutzen-Verhältnis sich daraus für die Weinwirtschaft ergibt. Verschärfungen beispielsweise beim Hektarertrag würden einen erheblichen Mehraufwand bei den Kontrollen nach sich ziehen. An einem praktischen Fall wird dies rasch deutlich: Ein Winzer beliefert eine Kellerei mit Weinen verschiedener Qualitätsstufen, die aus Reben von seinem halben Dutzend Weinbergen an unterschiedlichen Standorten gekeltert wurden. Wer überprüft hier, ob an allen Standorten die zuvor für die jeweilige Qualitätsstufe festgesetzte Begrenzung des Hektarertrags eingehalten wurde?
Kritiker befürchten, dass bei einer Verschärfung der Hektarertragsregelung bereits auf mittlere Segmente der Pyramide eine erhebliche finanzielle Belastung auf die Weinwirtschaft zukäme. Weil der Staat die Kosten für in diesem Fall notwendige Kontrolleure sicher an die Erzeuger weiterreichen dürfte. Aus diesem Grund betrachtet der IHK-Weinausschuss den Hektarertrag allenfalls im Spitzensegment der Einzellage-Weine als sinnvolles Kriterium der Profilierung. Ähnlich möchte das Gremium auch bei den ins Spiel gebrachten Qualitätsweinprüfungen und Einschränkungen der Vermarktungstermine die Kostenfrage vorab geklärt wissen.
Zumal im Gegenzug keineswegs sicher scheint, dass eine neue Bezeichnungspyramide tatsächlich ein durchschlagendes Verkaufsplus beim Endkunden bringt. Klaus Best, der als Weinkommissionär in der Pfalz tätig ist, hegt jedenfalls erhebliche Zweifel. Er kritisiert: „Man will im neuen Gesetz mit Rebsorten-Listen und mehrfach aufgegliederten Herkunftsstufen arbeiten. Das verlangt dem Verbraucher viel zu viel ab, er versteht das in der Regel nicht.“ Der Kundekreis, der beim Weinkauf auf Hektarerträge und Mostgewichte achte, sei nicht besonders groß. Deshalb hält Best es für einen Fehler, sich allzu sehr auf immer höher geschraubte Qualitätsversprechen zu konzentrieren. Für die meisten entschieden einfach der Geschmack und häufig auch ein bestimmtes Lebensgefühl, das über Marketing vermittelt wird. „Die Leute finden häufig einfache Werbung und anmutende Hinweise auf Regionen und Marken aus dem Ausland. Und diese Weine kaufen sie dann und nicht den deutschen Riesling Kabinett.“

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