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01.11.2023

Der Krise die Stirn bieten


Dieser Text ist vom 01.11.2023 und könnte inhaltlich veraltet sein.

Unternehmer berichten, wie sie schwierige Zeiten gemeistern haben

WIRTSCHAFT IM KRISENMODUS? AUFGEBEN IST NICHT! MIT DIESER HALTUNG HABEN DIE BEIDEN GESCHÄFTSLEUTE WLADIMIR POJANOW UND KARIN KALTENKIRCHEN JEWEILS IHRER WOHL SCHLIMMSTEN UNTERNEHMENS-KRISE DIE STIRN GEBOTEN. REWE-MARKT-GESCHÄFTSFÜHRER POJANOW, NACHDEM IHM DIE GEFLUTETE KYLL IM JULI 2021 IM TRIERER STADTTEIL EHRANG DIE TRÜMMER SEINER EXISTENZ VOR DIE FÜSSE SPÜLTE. KALTENKIRCHEN, DIE ALS GESCHÄFTSFÜHRERIN DES TRIERER TRADITIONSHAUSES MODEHAUS MARX IN DER CORONAKRISE ZWEI LOCKDOWNS ÜBERSTEHEN MUSSTE. STADTWERKE-VORSTAND ARNDT MÜLLER BERICHTET ÜBERDIES, WIE SICH DAS UNTERNEHMEN INMITTEN DER ENERGIEKRISE NEU POSITIONIERT.

15. Juli 2021. Dieses Datum hat sich im Gedächtnis vieler Deutscher eingebrannt. In der Nacht auf diesen Juli-Donnerstag und am Tag zuvor waren vor allem in Teilen von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz innerhalb von 24 Stunden bis zu 150 Liter Regen pro Quadratmeter heruntergeprasselt. In der Folge kam es in den betroffenen Regionen zu Sturzfluten und massiven Überschwemmungen. Das Jahrhunderthochwasser forderte Menschenleben, zerstörte innerhalb kürzester Zeit private wie berufliche Existenzen und hinterließ vielerorts ein Bild völliger Verwüstung und Zerstörung.

Auch Wladimir Pojanow, Geschäftsführer und Inhaber des REWE-Marktes im Trierer Stadtteil Ehrang, musste ohnmächtig zuschauen, wie die am frühen Morgen des 15. Juli über die Ufer getretene Kyll von einem Moment auf den anderen seine berufliche Existenz zerstörte. „Das ist ein Ereignis, das mich mein ganzes Leben lang begleiten wird“, versichert der 45-Jährige. „Innerhalb von fünf Stunden stehst du vor dem Nichts, hast alles verloren.“

Dabei hatte der gebürtige Ukrainer, der 1997 mit seiner Familie nach Deutschland kam und ein Jahr später als Praktikant seinen Werdegang bei der REWE-Group startete, den auf 2500 Quadratmetern komplett neu gebauten Supermarkt erst Ende 2017 eröffnet. Zwei Monate vor der Flutkatastrophe war erstmals der ebenfalls neu errichtete, 600 Quadratmeter große Getränkemarkt für die Kundschaft aufgeschlossen worden.

Kurz vor Mitternacht des nahenden 15. Juli habe er sich noch mit Ortsvorsteher Bertrand Adams die Lage an der Kyll angesehen und geglaubt, dass hier nichts Schlimmeres passieren werde. Auch als die ersten Mitarbeiter gegen 5.30 Uhr zum Auspacken und Einräumen der Ware kamen, sei die Situation noch übersichtlich gewesen. Kurz darauf sollte sich das schlagartig ändern. „Unsere Obst- und Gemüsehändler kamen nicht mehr rein, weil die Brücke über die Kyll gesperrt wurde.“ Wenig später trat die Kyll über die Ufer, überflutete die Straße und erreichte zunächst den etwas tiefer gelegenen Getränkemarkt. Ab diesem Moment habe es nur noch geheißen: „Alle müssen raus aus den Märkten. Und zwar sofort!“

Während sich die Mitarbeiter und Pojanow –zumindest körperlich unversehrt – in Sicherheit retten konnten, fielen die beiden Märkte vollständig der Gewalt des Wassers zum Opfer. Unzählige Bilder auf Pojanows Handy dokumentieren das Ausmaß der Verwüstung und Zerstörung. Unter anderem mit zerborstenen Glastüren, umgestürzter, zusammengeschobener, wild durcheinander liegender und komplett demolierter Einrichtung und Ware. Oder, in einer nüchternen Zahl ausgedrückt: mit einem Schaden in Höhe von fünf Millionen Euro.

Elementarversicherung war seine Rettung


Für seine Frau Julia, die mit im Unternehmen ist, sei es „der Weltuntergang“ gewesen, sie habe viel geweint. „Wir haben so viel Herzblut in dieses Geschäft investiert und hatten zu diesem Zeitpunkt Verantwortung für rund 70 Mitarbeiter und deren Familien, die natürlich verzweifelt waren, wie es weiter geht“, erzählt der Familienvater.
Trotz des großen Schocks habe ihn eben dieses Verantwortungsgefühl und die Wertschätzung gegenüber seinen Mitarbeitern zu einer mutigen Botschaft, gerade mal zwei Tage nach dem Unglück, bewegt. „Wir haben uns samstags mit allen Mitarbeitern auf dem Parkplatz getroffen. Dort habe ich ihnen versichert, dass sie sich um ihre Arbeitsstelle keine Gedanken machen müssen und wir ihre Gehälter weiterhin bezahlen. Sie haben applaudiert, ich habe ihre Unterstützung und Rückendeckung gespürt. Auch diesen Tag werde ich niemals vergessen.“

Dass er gemeinsam mit seiner Frau und seinem Team so schnell wie möglich alles dafür tun würde, an gleicher Stelle einen neuen Markt aufzubauen, habe für ihn keine Sekunde in Frage gestanden. Woher er die Kraft dafür genommen hat? „Ich bin ein positiv denkender Mensch und stelle mich schwierigen Situationen. Hinschmeißen wäre für mich nie in Frage gekommen. Ich habe seit meinem 23. Lebensjahr auf das Ziel hingearbeitet, mich mit einem REWE-Markt selbstständig zu machen. Es macht mir einfach großen Spaß, wie wir hier mit tollen Mitarbeitern unsere Ware präsentieren und verkaufen und uns so eine zufriedene Kundschaft aufgebaut haben, die uns die Stange gehalten hat und nach der Wiedereröffnung zurückgekommen ist.“

Angesichts des mehrere Millionen schweren Schadens habe sich die von ihm abgeschlossene Elementarversicherung im wahrsten Sinne des Wortes als elementar erwiesen. „Ohne die wäre Feierabend gewesen“, konstatiert der Wahl-Schweicher nüchtern. Zwar habe er finanziell in Vorleistung gehen müssen. Jedoch habe die Versicherung nicht allein den gesamten Schaden, sondern auch die Gehälter der Mitarbeiter übernommen. „Auch wenn das eine stattliche Summe ist, kann ich aus meiner Erfahrung heraus nur jedem raten, nicht an der Versicherung zu sparen und das beste Paket abzuschließen, das es gibt. Es lässt einen im Zweifelsfall besser schlafen.“

„Es haben alle mitgespielt“

Dass es Pojanow tatsächlich geschafft hat, an gleicher Stelle und in gleicher Größe nach einer Rekordzeit von gerade einmal 21 Wochen Anfang Dezember 2021 einen nagelneuen, modernst ausgestatteten Super- und Getränkemarkt mit inzwischen 80 Mitarbeitern zu eröffnen, erklärt er so: „Es haben alle mitgespielt. Angefangen vom Vermieter, der Gas gegeben und sich top verhalten hat, über die Handwerksbetriebe, die sofort bei der Stange waren, bis hin zu den Mitarbeitern, die uns getragen haben und von denen nicht ein einziger gekündigt hat. Auch bei der REWE bedanke ich mich sehr für die Unterstützung.“
Die schwierige Situation habe ihm vor Augen geführt, wie wichtig und hilfreich in der Krise ein gutes Netzwerk, eine gute Verankerung in der Region sei: „Unser familiengeführtes Geschäft ist in der Region bekannt. Wir unterstützen zahlreiche Vereine und Veranstaltungen seit vielen Jahren und genießen einen guten Ruf als Arbeitgeber und als Markt. Auch auf die Handwerksbetriebe, die alle aus der Region stammen, konnten wir zählen, weil wir anständig mit ihnen umgehen und sie wissen, dass wir die Rechnungen zuverlässig bezahlen.“   
Auf die Frage, ob die Krise ihn möglicherweise verändert, gestärkt oder geschwächt habe, antwortet Pojanow schmunzelnd: „Ich bin da gestärkt herausgekommen und habe eine dicke Haut bekommen.“

Für Karin Kaltenkirchen, Chefin des Trierer Modehaus Marx, ist die Coronazeit mit ihren zwei harten Lockdowns nach eigener Beschreibung die größte Krise, die sie meistern musste, seit sie vor 25 Jahren die Geschäftsführung des heute 188 Jahre alten Familienbetriebs übernommen hat. Ausgerechnet kurz nach 2019, dem in ihrer Ära bislang erfolgreichsten Geschäftsjahr, und mitten im vielversprechenden Saisonauftakt, musste auch sie sich den von der Bundesregierung verhängten Coronamaßnahmen beugen und ihr Geschäft am 18. März 2020 auf zunächst unbestimmte Zeit schließen. So, wie deutschlandweit rund 200.000 Einzelhandelsbetriebe, deren Geschäftsbereich als nicht systemrelevant galt. Wenn die engagierte Unternehmerin von dieser Zeit spricht, bekommt sie Gänsehaut und muss an der einen oder anderen Stelle sichtlich gegen aufkeimende Emotionen ankämpfen.
„Uns hat der erste Lockdown in unseren umsatzstärksten Monaten getroffen, die sind von jeher im März/April sowie im Oktober.“ Zum Saisonauftakt veranstaltet das Modehaus seit vielen Jahren an zwei aufeinanderfolgenden Tagen eine Modenschau, so auch damals. Zwischen der zweiten und dritten Modenschau am zweiten Tag, dem 12. März, sei im Radio die Nachricht vom ersten Coronafall in Trier vermeldet worden. „Das war gegen 15 Uhr. Statt zwischen 150 bis 200 Besuchern saß daraufhin in der letzten Schau um 16 Uhr fast niemand mehr“, so Kaltenkirchen. Bereits am darauffolgenden Freitag und Samstag hätten sich die Umsätze halbiert.
„Wir waren alle geschockt und gelähmt.“ Unter den zu diesem Zeitpunkt mehr als 90 Mitarbeitern habe sich Angst breit gemacht, was die Chefin zu einem ähnlichen Schritt veranlasst hat, wie ihn auch Wladimir Pojanow gemacht hat. „Ich habe meinen Mitarbeitern gesagt, wir werden das schon schaffen. Wir sind jetzt 185 Jahre alt und haben bereits andere Herausforderungen geschultert.“

„Ich falle immer wieder auf die Füße“

Angst habe sie selbst zu keinem Zeitpunkt in der Coronazeit verspürt, da sie sich grundsätzlich gut auf sich selbst verlassen könne: „Tief in mir habe ich von jeher das Gefühl gehabt, dass ich immer wieder auf die Füße falle und Dinge schaffe.“
Allerdings habe sie eine Sache umgetrieben: „Ich wusste, dass für die nächsten eineinhalb Monate Wareneingänge in Höhe von einer Millionen Euro anstehen, die natürlich normalerweise von den Umsätzen bezahlt werden. Und auch die Ware für Herbst und Winter war längst geordert und konnte nicht storniert werden.“
Kurzfristige Entspannung in dieser Situation habe ihr der frühzeitige Anruf bei Ihrer Hausbank und die Bewilligung eines KfW-Kredits gebracht. „Da ich das Desaster habe kommen sehen, wenn auch nicht in dem Ausmaß, habe ich mich einige Wochen vor dem Lockdown um einen Kredit gekümmert. Der Bankberater sagte, ich sei die Erste, die danach fragt.“
Der Kreditanfrage vorausgegangen war eine mehrstufige Simulation, bei der Kaltenkirchen auf Anraten ihres engsten Freundes mit ihm als Finanzexperten bereits Ende Februar verschiedene Szenarien der Betriebsunterbrechung skizziert und durchgerechnet hat.

Auch im zweiten Lockdown, der kurz vor Weihnachten 2020 begann und mehrere Monate andauerte, pufferte Kaltenkirchen die schließungsbedingte Liquiditätslücke über einen weiteren KfW-Kredit ab. Rund 90 Prozent eines Jahresumsatzes seien ihrem Unternehmen in den zwei Jahren der Pandemie verloren gegangen. „Wir haben unfassbar viel Eigenkapital verloren. Das wieder zu erwirtschaften, wird ein paar Jahre brauchen.“
Ans Aufgeben habe sie, die mit dem Modehaus 2002 auch schon die Erfahrung einer Insolvenz machen musste und nun durch Corona eine erneute Krisensituation erlebte, dennoch nie gedacht. „Aufgeben ist in unserer DNA nicht vorhanden, ist keine Option“, sagt sie lächelnd und beschreibt ihren Gemütszustand während und nach dieser Zeit offen: „Es war ein Kampf.“ Was es brauchte, um da durchzukommen?  „Zuversicht, gute Laune und tolle Mitarbeiter“, antwortet sie. „Ich gehe mental durchaus angeschlagen, aber nicht untergegangen aus dieser Krise hervor.“

Bis zu Corona habe sie „in ihrem System“ keine Wut gekannt. Das habe sich eindeutig geändert. „Was mir am meisten zugesetzt, mich wütend, aber auch gelähmt und kaputt gemacht hat, waren die Ungerechtigkeiten, die zum Himmel schreiende Ungleichbehandlung hinsichtlich der Maßnahmen und Hilfen, nicht der finanzielle Schaden. Während wir geschlossen hatten und ich wusste, wieviel Geld wir Tag für Tag verlieren, bin ich an proppevollen Baumärkten und Gartencentern vorbei. Ich habe mich gewundert, was alles als systemrelevant galt und wo der Virus anscheinend keine Auswirkungen hat.“
Alle Maßnahmen der ersten zwei bis drei Wochen trage sie ausdrücklich mit. Was allerdings danach an Ein- und Beschränkungen beziehungsweise Verboten gekommen sei, sei für sie bis heute nicht nachvollziehbar. Lautstark habe sie sich deshalb auch von Anfang an gegen bestimmte Dinge gewehrt und so manches Schreiben an das rheinland-pfälzische Gesundheitsministerium beziehungsweise an die Verantwortlichen in Trier versandt. Als reine „Protest-Aktion“ bezeichnet sie in diesem Zusammenhang auch die während des zweiten Lockdowns zwischenzeitlich im Erdgeschoss aufgebaute, 200 Quadratmeter große Verkaufsfläche mit ausgewählten Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Sie habe ihre Gewerbeanmeldung um systemrelevante Artikel erweitern lassen, „um zu zeigen, dass das so wie bisher nicht geht“. Bei den Kunden sei die Aktion gut angekommen: „Sie haben die Botschaft verstanden und mich bestärkt.“
Überhaupt seien ihre Initiativen und Bemühungen, auch während der Lockdowns den Kontakt zur Kundschaft zu halten, auf fruchtbaren Boden gefallen. So etwa ihr Brief an alle Luxemburger Kunden, in dem sie die lange Zeit geschlossene Grenze ins Ländchen verurteilt und sich dafür entschuldigt. Auch ihre Mitarbeiter, an die sie während der beiden Lockdowns mehr als 90 Rundschreiben verschickt und für die sie immer ansprechbar geblieben sei, hätten ihr viel positive Energie zurückgespielt. „Am meisten gefreut habe ich mich über ein von allen gemeinsam zusammengestelltes Büchlein mit aufmunternden  Worten.“
Auf die Frage, ob sie die Krise in irgendeiner Weise verändert hat, antwortet Kaltenkirchen: „Es ist mir noch gleichgültiger geworden, wie Andere mein Handeln beurteilen. Denn ich muss mein Ding durchziehen.“

„Es ist glimpflicher ausgegangen als erwartet“

Vor einem Jahr um diese Zeit war das Thema Energiekrise in aller Munde. Ist die Versorgung im bevorstehenden Winter gewährleistet und wenn ja, zu welchen Preisen und Konditionen?, waren die Hauptpunkte, die private Haushalte wie Wirtschaft und Industrie gleichermaßen umtrieben. Verbindliche Einschätzungen gab es damals eher wenig. Vielmehr gingen die Bewertungen der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine völlig veränderten Situation auf dem Energiemarkt und die Prognosen durchaus auseinander.
Rückblickend und mit Fokus auf die hiesige Region bilanziert Arndt Müller, Vorstand der Stadtwerke Trier (SWT): „Es ist weitaus glimpflicher ausgegangen als befürchtet.“ Dass die schlimmsten Erwartungen nicht eingetroffen seien, liege an unterschiedlichen Faktoren. Zum einen habe die Bundesregierung schlussendlich genügend Gas zur Verfügung gestellt – hauptsächlich via Lieferungen aus Norwegen und durch LNG (Flüssigerdgas). Energieintensive Betriebe hätten teilweise auf Öl umgestellt. Zum anderen hätten die Verbraucher vor dem Hintergrund der unsicheren Situation vor- beziehungsweise umsichtig reagiert. Im Zeitraum Oktober bis April seien 15 Prozent Gas eingespart worden.
„Wir als Stadtwerke haben geschaut, dass die Infrastruktur intakt bleibt und die Kunden zu ordentlichen Konditionen versorgt werden. Insbesondere beim Strom war und ist unser Ziel, möglichst vielen Kunden grünen Strom anzubieten, vorrangig aus Wind und Photovoltaik.“ Je nach Anfrage-Zeitpunkt sei das nicht immer gelungen, räumt Müller ein. „Wir konnten nicht immer gute Preise machen, was  stellenweise für Unmut gesorgt hat. Das würde mir so heute nicht mehr passieren. Ich würde frühzeitiger noch mehr Mengen aus der EEG-Vergütung rausnehmen.“ Gleichwohl bleibt sein Fazit für den zurückliegenden Winter positiv: „Im Großen und Ganzen hat sich das am Schluss als eine Art Solidargemeinschaft erwiesen aus Unternehmen, Privathaushalten und Energieversorger. Jeder hat getan, was er konnte.“
Im Hinblick auf den diesjährigen Winter herrsche eine andere Stimmung. „Nach der Erfahrung, dass es ja auch im vergangenen Jahr funktioniert hat, macht man sich dieses Jahr gar keine Sorgen. Das ist auch nicht gut.“
Auch wenn er angesichts der aktuellen Situation positiv gestimmt sei, mahnt er, „die Lage im Blick zu halten“. Derzeit seien die Gasspeicher gut gefüllt. Stand 18. September zu 94 Prozent. Gleichwohl hält Müller es für wichtig, die Entwicklung der Gasspeicherfüllstände aufmerksam zu beobachten. Zu schauen, wie schnell sie sinken und immer wieder zu prüfen, ob eine dauerhafte Lieferung (nach wie vor hauptsächlich aus Norwegen und über LNG) gewährleistet ist. „Darüber hinaus muss unbedingt ein Auge auf die Infrastruktur gehalten werden, wie wir spätestens seit den Anschlägen auf die Nord-Stream-Pipeline wissen. Wenn so etwas mit den Leitungen in Norwegen passieren würde, hätten wir morgen ein großes Problem.“
In der Region – überwiegend im ländlichen Raum –  dominiere mit rund 50 Prozent nach wie vor der Brennstoff Öl. Gas nehme etwa 30 Prozent ein. „Die Betriebe haben die Öltanks gefüllt, die Wirtschaft ist gewappnet.“
Die innerhalb der Energieversorgungs-Diskussion immer stärker ins Spiel gebrachte Fernwärme hält Müller nicht für das „Allheilmittel“, denn auch die werde häufig mit Gas produziert. „Wir verzeichnen einen stetig wachsenden Zuspruch beim Grünstrom.“ Das trifft sich gut. Schließlich liegt diese Entwicklung exakt auf dem Kurs, den die Stadtwerke bereits vor vielen Jahren in ihren Kompass eingegeben haben und den sie nicht erst seit der Energiekrise mit Hochdruck verfolgen.

Bis 2030 grüner Strom für alle

Als einer der ersten Grundversorger deutschlandweit haben die SWT bereits 2007 im Trierer Gewerbegebiet Gottbillstraße sowie 2008 im Industriepark Region Trier in Föhren Photovoltaik-Anlagen errichtet und in Betrieb genommen. „Tatsächlich haben wir relativ früh diesen Weg beschritten und sind in den Prozess eingestiegen“, sagt der SWT-Vorstand. Gesetztes Ziel sei, bis zum Jahr 2030 jeden Kunden, also nicht nur Privat- und Gewerbekunden, sondern auch Industriekunden,  mit reinem grünen Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. „Der regionale Grünstrom ist wichtig. Und zwar der, der in der Region erzeugt wird und die Region versorgt“, betont Müller. Dabei gehe es darum, Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen, die jeweiligen Bedarfe und Zuschnitte innerhalb der Region auszubilanzieren. „Bilanzkreismanagement ist das, worauf wir uns künftig viel stärker fokussieren und womit wir eine neue Rolle bei der Energieversorgung einnehmen. Wir möchten Unternehmen bilanziell dabei begleiten, um eine Energieunterdeckung und eine -Überdeckung auszugleichen.“ Mit dem Begriff „Investition in Flexibilitäten“ haben die SWT ihren Ansatz überschrieben.
Dass das Ziel vielversprechend ist, davon ist Müller fest überzeugt: „Wir haben große Chancen in der Region, denn wir haben durch die ländliche Prägung eine Erzeugungsregion mit urbanen Verbraucherschwerpunkten.“
Ein Leuchtturm-Projekt aus dem Bereich grünes Gas ist den SWT bereits mit der gemeinsam mit den Biogaspartnern Bitburg neu gebauten Aufbereitungsanlage für Bio-Erdgas am Flugplatz Bitburg gelungen. Seit 2020 bekommen die SWT von sieben Landwirten Biogas, das in der Anlage – eine der ersten dieser Art deutschlandweit – zu Bio-Methan aufbereitet und in das SWT-Erdgasnetz eingespeist wird. In Blockheizkraftwerken an unterschiedlichen Standorten wird damit effizient Strom und Wärme erzeugt – unter anderem für rund 1100 Haushalte im Trierer Stadtteil Mariahof.
Ein weiteres Leuchtturm-Projekt geht Ende November an den Start. Unter Federführung der SWT und als Public Private Partnership-Konstrukt haben vier Partner den Windpark Bescheid Süd im Hunsrück gekauft und dort vier neue Türme mit einer Gesamtleistung von 16,8 Megawatt errichten lassen. Rund 48 Millionen Kilowattstunden grüne Energie wird der Windpark künftig liefern. Für die Betreibergesellschaft haben sich fünf regionale Akteure in einer Konstellation zusammengeschlossen, die es so noch nicht gab: Stadtwerke Trier, Regionalwerke Trier-Saarburg, Sparkasse Trier, Volksbank Trier sowie der Tabakhersteller JTI.  
JTI wird künftig 50 Prozent der in Bescheid erzeugten Gesamtstrommenge für seine Produktionsstätte in Trier abnehmen. Eine Investition, die für den größten privaten Arbeitgeber Triers gleich in zweifacher Hinsicht attraktiv ist, wie Werksleiter Peter Kilburg erläutert: „Der Windpark spielt eine wichtige Rolle für unser Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein. So können wir peu à peu den CO2-Ausstoß reduzieren und unsere Nachhaltigkeitsziele vorantreiben. Zudem gibt uns der Windpark langfristig Planungssicherheit, was die Energieversorgung betrifft.“

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